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Bauteiltypologie: Walmdach

Walmdach

 

Definition

Eine Dachform mit geneigten Dachflächen auf Trauf- und Giebelseite.

Mit der Dachform „Walmdach“ bezeichnet man die an allen Seiten des Gebäudes abfallenden Dachflächen. Es betont den Baukörper und hebt ihn gleichermaßen von der Umgebung ab. Im Gegensatz zu Satteldächern wirken Walmdächer trennend von benachbarten Dachformen.

Größtenteils in Süddeutschland und Alpenregionen findet sich diese Dachform wieder.1 Grund für das Auftreten in Süddeutschland ist die geringe Angriffsfläche für Wind und die Konstruktion, welche die Windlast verringert und gleichermaßen abträgt. Für die Ausführung sind Pfettenkonstruktionen am besten geeignet.

 

Gaarz, Gut, Speicher, Fachwerkbau, 16./17. Jh


Bild [1]: Gaarz, Gut, Speicher, Fachwerkbau, 16./17. Jh. [+]


Dachformen

Die Ursprungsform des Walmdaches verfügt über mehrere Ableitungen und Sonderformen (Bild 2). Ein Walm, dessen Traufe oberhalb der Traufe des Hauptdaches liegt, wird als Krüppelwalm oder Schopfwalm bezeichnet. Das Halbwalmdach hat einen trapezförmigen Restgiebel, auf dem die Dachfläche aufgelagert ist.2 Besonders wenn ein Steilgiebel am First geschützt werden musste, wurde ein Krüppelwalmdach eingesetzt. Eine weitere Sonderform ist das Fußwalmdach, hierbei ist nur der untere Teil des Daches abgewalmt.

 

Walmdach, Krüppelwalm, Halbwalm, Fußwalm (von links nach rechts)

Bild [2]: Walmdach, Krüppelwalm, Halbwalm, Fußwalm (von links nach rechts) [+]


Geschichte

Der erste Haustyp der Welt ist das Walmdachhaus. Er ist die vorherrschende und wahrnehmungsprägende Bauform, zu der sich erst im Lauf der Zeit Blockbauten mit Satteldächern für kleinere Bauaufgaben hinzugesellen.3
Die ersten Häuser waren Holzfachwerkbauten. Alle weiter zurückreichenden Erkenntnisse basieren auf archäologischen Funden und Ausgrabungen. Sie beschränken sich jedoch im Wesentlichen auf die Positionen von in den Erdboden eingerammten Holzpfosten und vage Außenwandverläufe dieser einfachen Innengerüstbauten. Über die Bautechniken, Konstruktionsarten, Bauhöhen und Dachformen existieren daher nur Vermutungen und teils unterschiedliche Theorien.

Aufgrund der unzureichenden Quellenlage ist es schwer zu bestimmen, wann die ersten Holzfachwerkbauten entstanden. Eine parallele Entwicklung des Walmdaches sowie des Satteldaches ist also anzunehmen. Die Konstruktion war grundsätzlich die Sparrendachkonstruktion. Die erste Weiterentwicklung des Walmdaches ist das Krüppelwalmdach. Es ist die Kompromissformel zwischen Stabilität und Nutzbarkeit. Eine weitere Entwicklung, ist das Mansarddach, bei dem man den Dachstuhl zusätzlich als wohnbares Geschoss ausbauen konnte. Jedoch ist jene Entwicklung materialintensiver und anfälliger für Bauschäden. 

 

Funktion

Walmdächer haben Vor- und Nachteile gegenüber anderen Dachformen. Aufgrund der komplexen Struktur sind sie teurer und durch die aufwendige Konstruktion nehmen sie mehr Zeit in Anspruch. Jedoch gelten Walmdächer als langlebiger und pflegeleicht.4 Im Hinblick auf die Renovierung sind Walmdächer anderen Dachformen gegenüber im Vorteil. Jedoch ist der Dachstuhl eines Walmdaches nicht für Wohnfläche nutzbar. In Schwarzwaldhäusern wurde der Dachboden als Heulager genutzt.

Die hervorkragenden Dachflächen verschatten im Sommer die Hauswände, welche sich durch die im Winter tiefer stehende Sonne erwärmen können. Das Dach wurde meist mit Holzschindeln oder Stroh gedeckt.

Bauernhaus, Lahr-Reichenbach (Ortenaukreis)

Bild [3]: Bauernhaus, Lahr-Reichenbach (Ortenaukreis) [+]

 

Konstruktion

In seinem Aufbau ist das Walmdach wesentlich komplizierter als das Satteldach; es fordert vom Zimmermann für das Austragen und Zurichten der Gratsparren und Schifter ein großes handwerkliches Können.5 Für die Ausführung von Walmdächern sind Pfettenkonstruktionen in der Regel am besten geeignet. Die Lage der Binder ist vom Grundriß (Gebäudetiefe, unterstützende Wände) und der Dachneigung (Sparrenlänge) bzw. der Binderform (Anzahl und Lage der Pfetten) abhängig. Die Binderstiele müssen bei Holzbalkendecken auf Wänden stehen.6 Wirtschaftlicher ist es oft, den Binder so aufzustellen, dass das auskragende Pfettenende vom Kopfband unterstützt wird.

Pfettenkonstruktion, Walmdach

Bild [4]: Pfettenkonstruktion, Walmdach [+]

Bei Walmdächern in Sparren- oder Kehlbalkenkonstruktionen werden die Gesimse durch die vorstehenden Balkenköpfe gebildet. Daher ist es möglich, die Walmflächen steiler als die Neigung des Dachquerschnittes auszubilden und so quadratische Grundflächen zu schaffen. Die Dachausmittlung (Festlegung der Schnittkanten der Dachflächen) geht jeder konstruktiven Durchbildung eines Walmdaches voraus. Die einfachste Errichtung eines Walmdaches von einem Gebäude mit mäßiger Tiefe, verlangt dieselben Überlegungen, die auch für größere Dächer gelten.

 

Pfettenkonstruktion, Grundriss Dachstuhl

Bild [5]: Pfettenkonstruktion, Grundriss Dachstuhl [+]

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Dierks, Klaus; Schneider, Klaus-Jürge; Wormuth, Rüdiger (2002): Baukonstruktion. 5. Auflage. Berlin: Werner

Grimm, Friedrich; Richarz, Clemens (1998): Gestalten mit der Welle. Stuttgart: Krämer

Hasak, Max (1910): Heimische Dachformen. Berlin: Wasmuth

Hirschfell, Marc (2005): Das ist das Haus vom Nikolaus : die Geschichte des Walmdaches als Urform und Idealtyp. Halle (Saale) Elektronische Ressource

Kraasch, Reinhard (2015): Walmdach, in: Wikipedia.org Online im Internet: <https://de.wikipedia.org/wiki/Walmdach> [16.10.2015]

Lafarge-Dachsysteme GmbH (2004): Handbuch Geneigte Dächer. Oberursel: Monier Braas

Neumann, Dietrich; Weinbrenner, Ulrich (1993): Baukonstruktionslehre, Teil 2. 29. Auflage Stuttgart: Teubner

Schiwek, Frederick (2015): Was ist ein Walmdach?, in: Walmdach.net Online im Internet: <http://walmdach.net/> [15.10.2015]

Schmitt, Heinrich (1981): Hochbau Konstruktion. 9. Auflage. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg & Sohn

Schunk, Eberhard (2002): Dach-Atlas, geneigte Dächer. 4. Auflage. Basel: Birkhäuser


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

1 Schunck, Eberhard (2002), S.34
2 Neumann, Dietrich; Weinbrenner, Ulrich; Knöll, Karl (1993), S. 46
3 Hirschfell, Marc (2005), S.50
4 Schiwek, Frederick (2015), S.1
5 Schmitt, Heinrich (1981), S.449
6 Schmitt, Heinrich (1981), S.450

Bild [1]: Objekt 20601763; Microfiche-Scan mi05316a12; Veröffentlicht mit Genehmigung von Bildarchiv Foto Marburg, Urheberrecht: Landesamt für Denkmalpflege, Kiel.
Bild [2]: Selbst angefertigte Skizzen
Bild [3]: Objekt 20645071; Microfiche-Scan mi06755f09; Veröffentlicht mit Genehmigung von Bildarchiv Foto Marburg, Urheberrecht: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart.
Bild [4]+[5]: Selbst angefertigte Skizzen

 

Zitiervorschlag:
Kurzhöfer, Felix
(2015): „Walmdach“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bauteiltypologie, URL: http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bauteiltypologie/bauteile-w/walmdach.php

Autorengruppe: Studentinnen und Studentenletzte Aktualisierung dieser Seite: 30. November 2017
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Felix Kurzhöfer PDF

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