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Bauwerkstypologie: Brückenturm

Brückenturm

Definition

Ein Brückenturm ist ein Turm, der an oder auf einer Brücke steht. Seit dem Mittelalter sind diese Türme am Anfang und oder Ende einer Brücke zu finden. In manchen Fällen stehen sie auch mittig auf der Brücke. Die meisten Brückentürme waren ein fester Bestandteil der Stadtbefestigung da sie den Zugang über die Brücke schützten und damit die Stadt. Darüber hinaus wurden sie zur Zollerhebung genutzt.1


Geschichte und Funktion

Die Brückentürme dienten vor allem zur Sicherung der Stadt. Oft in die eigentliche Stadtmauer integriert, konnte man von den Türmen aus das Land vor der Stadt weit überblicken und hatte so die Möglichkeit frühzeitig auf bevorstehende Angriffe zu reagieren.2

Da man zu einigen Städten nur über einzelne Brücken gelangte, wurden diese meist auf der gegenüberliegenden Brückenseite mit einem Turm geschützt, um mögliche Feinde schon deutlich vor der eigentlichen Stadtmauer aufzuhalten. Die Brückentürme wurden sowohl am Tag als auch in der Nacht bewacht. Viele flankierten oder bildeten ein Tor zur Stadt. Diese wurden in der Regel nachts geschlossen, sodass zu bestimmten Zeiten niemand die Brücke passieren konnte. Für den Fall, ein Feind könne sich unbemerkt in die Stadt einschleichen, waren die meisten Türme auch von innen gesichert, sodass es den Wachen im Turm möglich war, sowohl vor den Mauern, als auch im Inneren der Stadt diese zu verteidigen.3

Jedoch hatten die Türme nicht nur einen wehrhaften Charakter, sondern vielmehr auch repräsentative Bedeutung. Die meisten Bauwerke waren ausgeschmückt und verziert, nicht selten mit Skulpturen der derzeitigen oder ehemaligen Herrscher der Stadt. So wurden Besucher gebührend in Empfang genommen und konnten sich anhand der Ausarbeitung des Brückenturms bereits ein erstes Bild über den Zustand der Stadt machen.4

Nachdem die Zollerhebung abgeschafft und der Turm als Wehrbau nicht mehr gebraucht wurde, sind einige als Gefängnis oder Wohnraum zwischengenutzt worden. Die meisten sind mittlerweile jedoch abgerissen, da sie den wachsenden Verkehr und die im Laufe der Zeit immer breiter werdenden Straßen in ihrer Entwicklung behinderten.5


Architektur

Die Brückentürme wurden auf verschiedenste Arten ausgebildet. In der Regel hatten sie 3-4 Stockwerke und offenes Dach mit Schießscharten in alle Richtungen. Im Erdgeschoss des Bauwerks wurde der Zoll erhoben. Bis auf diese Funktion diente das Erdgeschoss jedoch hauptsächlich als Tor oder Zugang zur Stadt. Im ersten Obergeschoss fand man zumeist den Aufenthaltsraum der Wachen und ein Lager für deren Ausrüstung. Die oberen Geschosse waren dem Türmer und seiner Familie als Wohnraum vorbehalten.6

Man kann grundlegend zwischen drei Typen der Brückentürme und Türme im Allgemeinen unterscheiden.
Eintürme sind meist sehr hoch und dick ausgebildete Türme, die im Erdgeschoss eine Tordurchfahrt bilden und oft von eigenständigen Seitentürmen flankiert werden. Dieser Turmtyp war einer der gebräuchlichsten und hat beim Altstädter Brückenturm in Prag Anwendung gefunden. [Abb.1]
Doppeltürme sind zwei Türme, die nicht selten mit einem Torhaus in der Mitte über der Brücke verbunden sind.
Der Brückenturm in Heidelberg entspricht diesem Turmtyp. [Abb.2]
Dreitürme kamen eher selten vor. Als solche bezeichnet man Türme, welche sehr dick und opulent über einer Tordurchfahrt stehen und seitlich noch zwei viel schmalere und niedrigere Seitentürme aufweisen.7
Das Ünglinger Tor in Stendal repräsentiert ein gelungenes Beispiel dieses Typs. [Abb.3]

 

 Altstädter Brückenturm, Prag    Brückenturm, Heidelberg    Ünglinger Tor, Stendal
Abb.1 Altstädter Brückenturm, Prag [+]   Abb.2 Brückenturm, Heidelberg [+]   Abb.3 Ünglinger Tor, Stendal [+]

Türme oder auch sogenannte Pylone8 sind auch bei Hängebrücken aufzufinden. Hier ist die Höhe der Türme besonders wichtig, um die Brücken möglichst weit oben befestigen zu können.  


Objektbeispiel Limburg

Die Limburger Stadtmauer führte entlang der Grabenstraße und dem Eschhöfer Weg und umgab die heutige Altstadt. Sie wurde von 9 Türmen und Toren verstärkt und zusätzlich durch einen im 14. Jahrhundert angelegtem Graben gesichert.

Die Stadt hatte sowohl einen inneren als auch einen äußeren Brückenturm, wobei der innere Anfang 1818 aufgrund der wachsenden Bevölkerung und dem damit verbundenen Abriss der Stadtmauer ebenfalls abgerissen wurde.9
Der sogenannte äußere Brückenturm besteht jedoch bis heute.

 

Ansicht von Limburg, 1646

Abb.4 Ansicht von Limburg, 1646 [+]


Man begann 1315 mit dem Bau, zeitgleich mit dem Bau der Brücke aus Stein.10
50 Jahre später war dieser aber immer noch nicht abgeschlossen, sodass auch heute nur das Erdgeschoss des Turms original und genauso alt wie die zugehörige Brücke ist.11
Der Limburger Brückenturm ist das einzig im Kern erhaltene Brückenbauwerk seiner Art in Deutschland.12

Der quadratische Turm befindet sich am rechten Lahnufer in Limburg. Das Erdgeschoss mit seinen Spitzbogentoren und dem rundbogigen Kreuzgratgewölbe entstand im 14. Jahrhundert. Bis heute sind auch noch im Norden der Tordurchfahrt die Führungsschienen des ehemalig vorhandenen Fallgitters im Mauerwerk erhalten.

Die drei Obergeschosse wurden 1543 erneuert. In einer Nische an der Nordseite wird eine kleine Mutter Gottes präsentiert. Vermutlich stammt sie aus einer Stiftung der 1512 erbauten und später zerstörten Brückenkapelle.
Früher war der Turm von einem hohen Dach gekrönt. Um 1800 wurde erhielt er das bis heute bestehende flache Walmdach.13

 

 Südansicht Brückenturm, Limburg    Nordansicht Brückenturm, Limburg
Abb.5 Südansicht Brückenturm, Limburg [+]  

Abb.6 Nordansicht Brückenturm, Limburg [+]

Ostansicht Brückenturm und Dom, Limburg

Abb.7: Ostansicht Brückenturm und Dom, Limburg [+]


Bis 1905 mussten die Nutzer der Brücke hier Zoll bezahlen. Danach diente der Turm erst als Gefängnis und später als Wohnraum. Heute ist er das letzte Relikt der ehemaligen Limburger Stadtbefestigung.14

 

Literaturverzeichnis


BERGNER, HEINRICH, Handbuch der bürgerlichen Kunstaltertümer in Deutschland. Band 1 1906.
BILLER, THOMAS, Die mittelalterliche Stadtbefestigung im deutschsprachigen Raum. 1. Systematischer Teil. Ein Handbuch, Darmstadt 2016.
BILLER, THOMAS, Die mittelalterliche Stadtbefestigung im deutschsprachigen Raum. 2. Topographischer Teil. Ein Handbuch, Darmstadt 2016.
SUTTER, CONRAD, Thurmbuch. Thurmformen aller Style und Laender, Düsseldorf 1888/1895.
CREMER, FOLKHARD, Regierungsbezirke Gießen und Kassel 2008.
HEINLE, ERWIN; LEONHARDT, FRITZ, Türme aller Zeiten - aller Kulturen, Stuttgart 1990.
Limburg-Weilburg, Alte Lahnbrücke mit Brückenturm. DenkXweb - Detailansicht. http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/53176/ (abgerufen am 16.05.17).
SCHROER, ANNE, Turm, in: Lexikon der Bautypen. Funktionen und Formen der Architektur, hg. v. ERNST SEIDL, Bd. 18972, Stuttgart 2012 [= Reclams Universal-Bibliothek], S. 518.
WALDECKER, CHRISTOPH, Zeitsprünge Limburg, Erfurt 2014.
Wörterbuch der Architektur, Stuttgart 2015 [= Reclams Universal-Bibliothek Reclam-Sachbuch, Nr. 18701].


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis


Abb. 1 BERGNER, HEINRICH, Handbuch der bürgerlichen Kunstaltertümer in Deutschland. Band 1 1906, S.120
Abb. 2 SUTTER, CONRAD, Thurmbuch. Thurmformen aller Style und Laender, Düsseldorf 1888/1895, Tafel 89
Abb. 3 BERGNER, S. 119
Abb. 4 ANSICHT VON LIMBURG,1646, Historische Ortsansichten, Lagis, 2007. http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/gsrec/current/18/sn/oa?q=limburg (abgerufen am 27.06.2017)
Abb. 5-7Foto: Julia Andermann 06.2017

1 THOMAS BILLER, Die mittelalterliche Stadtbefestigung im deutschsprachigen Raum. 1. Systematischer Teil. Ein Handbuch, Darmstadt 2016, S. 255–256
2 ANNE SCHROER, Turm, in: Lexikon der Bautypen. Funktionen und Formen der Architektur, hg. v. ERNST SEIDL, Bd. 18972, Stuttgart 2012, S. 518
3 HEINRICH BERGNER, Handbuch der bürgerlichen Kunstaltertümer in Deutschland. Band 1 1906, S. 116
4  Beispiel in: DETLEV ARENS, Prag. Kultur und Geschichte der "Goldenen Stadt" 2005, S. 183
5 THOMAS BILLER, S. 255–256
6 BERGNER, S. 117.
7 ebd, S. 117.
8 Wörterbuch der Architektur, Stuttgart 2015, S. 100 „Pfeiler oder Mast einer Hängekonstruktion“
9 CHRISTOPH WALDECKER, Zeitsprünge Limburg, Erfurt 2014, S. 49
10 ebd, S. 54–55
11 THOMAS BILLER, Die mittelalterliche Stadtbefestigung im deutschsprachigen Raum. 2. Topographischer Teil. Ein Handbuch, Darmstadt 2016, S. 187
12 Limburg-Weilburg, Alte Lahnbrücke mit Brückenturm. DenkXweb - Detailansicht. http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/53176/ (abgerufen am 16.05.17).
13 FOLKHARD CREMER, Regierungsbezirke Gießen und Kassel 2008, S. 588
14 CHRISTOPH WALDECKER, S. 45–55

 

Zitiervorschlag:
Andermann, Julia (2017): „Brückenturm“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Gebäudetypologie, URL: http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/gebaeudetypologie/wehrbauten/brueckenturm.php

Autorengruppe: Studentinnen und Studentenletzte Aktualisierung dieser Seite: 02. Oktober 2017
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Andermann, Julia PDF

 

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