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7 Baubeschreibung

7.2.3 Nördliches Seitenschiff

 
Das nördliche Seitenschiff ist mit einer lichten Breite von 6,77 m mehr als 2 m breiter als das Südseitenschiff,113 seine Joche sind queroblong und von relativ gleichmäßigem Zuschnitt (Abb. 55).
 
Grundriss nach Grossmann
Abb. 55: Walpurgiskirche, Grundriss von Grossmann [+]
 

Im Gegensatz zum südlichen Seitenschiff befinden sich unterhalb der Empore keine Dienste an der Außenwand. An den kantonierten Pfeilern sind die nördlichen Dienste grob abgemeißelt worden, nur der Sockel ist verblieben.
Das Gewölbe ruht auf polygonalen Diensten, die auf den beschädigten Kämpfern der kantonierten Pfeiler aufgemauert wurden, und auf den Konsolen der Außenwand (Abb. 75). An der Westwand des nördlichen Seitenschiffes befinden sich zwei figürliche Konsolen, in der nordwestlichen Ecke ein Widder- oder Lammkopf (Abb. 76), südlich davon ein menschliches Gesicht (Abb. 77). Beide Köpfe sind durch je drei in der Mitte gelochte Blätter geziert. Die Kombination von menschlichen Gesichtern und floralen Formen zeigt sich wiederholt im Bauschmuck der Walpurgiskirche. Die einfache künstlerische Ausführung entspricht jedoch der Stilstufe des übrigen Bauschmucks.
 
Nordseitenschiff oberhalb der Empore

Abb. 75: Walpurgiskirche, Nordseitenschiff oberhalb der Empore, nach Osten [+]
 

Nordseitenschiff,
 Konsole in der NW Ecke   Nordseitenschiff,
 Konsole in der SW Ecke
Abb. 76: Walpurgiskirche, Nordseitenschiff, Konsole in der NW-Ecke [+]   Abb. 77: Walpurgiskirche, Nordseitenschiff, Konsole in der SW-Ecke [+]
 
 
Die vier weiteren Konsolen der nördlichen Wand sind architektonisch gegliedert. Sie sind von polygonaler Grundform, ihre Seitenflächen sind eingetieft und mit leicht erhabenem Maßwerk in Form genaster Spitzbogen gefüllt (Abb. 78).
Die ihnen gegenüberliegenden oktogonalen Dreivierteldienste beginnen auf den Kämpfern der kantonierten Pfeiler. Sie entsprechen von ihrer Lage den erhaltenen Strebepfeilern im südlichen Seitenschiff, doch scheinen sie nicht durch Abarbeitung der nördlichen Strebepfeiler entstanden, sondern wurden wohl neu aufgemauert. Der östliche Dienst hat weder Sockel noch Kapitell, die beiden westlichen sind mit einer einfachen oktogonalen Basis versehen, die in einer Schräge in den schmaleren Schaft übergeht (Abb. 61).  Das Dienstkapitell ist genau in der umgekehrten Art gebildet, durch eine Schräge wird der Schaft zum polygonalen Kapitell verbreitert.
 
Nordseitenschiff,
 Konsole an der Nordwand   Pfeiler B3
Abb. 78: Walpurgiskirche, Nordseitenschiff, Konsole an der Nordwand [+]   Abb. 61: Walpurgiskirche, Pfeiler B3, Arkadenpfeiler aus dem Zentrum
verschoben [+]

 

Die Kämpferpunkte der polygonalen Dienste liegen etwa auf der Höhe, auf der im Mittelschiff der Wechsel in der Profilform der Rippen stattfindet. Das vierteilige Kreuzrippengewölbe des nördlichen Seitenschiffes setzt höher an als im Mittelschiff, aber erheblich niedriger als im südlichen Seitenschiff (Abb. 66). Die unterschiedliche Höhe der Kämpferpunkte ermöglicht eine annähernd gleiche Krümmung der Rippen trotz unterschiedlicher Breite der Schiffe, auch die Rippen des nördlichen Seitenschiffes sind rundbogig gedrückt geführt. Der leicht spitzbogige Gurtbogen passt sich flexibel der Breite des Seitenschiffes an.
 
Querschnitt Langhaus nach Michler
Abb. 66: Walpurgiskirche, Querschnitt durch das Langhaus nach Osten, Zeichnung
von Michler [+]

 

Die figurierten Schlusssteine des nördlichen Seitenschiffes sind für stilistische Vergleiche nicht sehr ergiebig. Sie zeigen, von Westen nach Osten, ein blumenförmiges Ornament aus acht ineinander verschlungenen Bögen, einen Ring,  das Agnus Dei mit Kreuznimbus, Kreuzstab und Siegesfahne (Abb. 79) sowie eine Christusbüste mit sehr groben Gesichtszügen (Abb. 80).
 
Nordseitenschiff,
 zweiter Schlussstein von Osten   Nordseitenschiff,
 östlicher Schlussstein
Abb. 79: Walpurgiskirche, Nordseitenschiff, zweiter Schlussstein von Osten [+]   Abb. 80: Walpurgiskirche, Nordseitenschiff, östlicher Schlussstein [+]

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Zeichnungen der Ausgrabung 1971/72 Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg, Archiv der Abteilung Baudenkmalpflege

Großmann 1960. Großmann, Dieter: Alsfeld, München [u.a.] 1960

Michler 1972. Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1972, S. 65-99


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

113 Maße auf dem handgezeichneten Riss der Ausgrabung 1971/72 vermerkt.
 
Abb. 55: Grossmann 1960
Abb. 66: Michler 1972
Abb. 61, 75-80: Schmelz, Annette 2008

 

Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche
Alsfeld“, in:  www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php

Autorengruppe: Studentin / Studentletzte Aktualisierung dieser Seite: 07. Juni 2019
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Schmelz, Annette PDF

 

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