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8 Bauanalyse, stilistische Einordnung und Datierung

8.4.3 Der spätgotische Chor - stilistische Einordnung

 
Der Chor der Alsfelder Walpurgiskirche zeigt im Maßwerk der Fenster und ins-besondere in den Büstenkonsolen der Strebepfeiler zahlreiche Reminiszenzen an die Baukunst der Parler.
Parlerisches Formengut wurde gegen Ende des 14. Jahrhunderts in der untersuchten Kunstregion in großem Umfang rezipiert, wie an zahlreichen Beispielen gezeigt werden konnte. Es ist daher nicht möglich, beispielsweise die Verwendung einzelner Maßwerkformen am Alsfelder Chor von einem bestimmten Bau abzuleiten.
 
Der ab 1340 erbaute Chor der Stadtkirche von Homberg/Efze scheint aber mit seinem Formenrepertoire wiederholt Stichwortgeber für den spätgotischen Chor der Walpurgiskirche gewesen zu sein. Nicht nur das Maßwerk einiger Alsfelder Fenster konnte von Homberg/Efze abgeleitet werden, Gleiches gilt auch für die Basen der Dienstsockel und ein Kapitell.

Auch Michler hat bereits auf die Verwandtschaft der Bauplastik in Homberg/Efze und Alsfeld hingewiesen und schließt daraus, dass in Alsfeld ein Neubau des Langhauses nach Homberger Vorbild geplant gewesen sei.288

Es muss jedoch betont werden, dass die Gesamtanlage des spätgotischen Chores der Walpurgiskirche weniger dem Beispiel von Homberg/Efze folgt als vielmehr dem 1353 geweihten Chor in Frankenberg. In Frankenberg war vermutlich Meister Tyle von Frankenberg der Bauleiter des Chores, 1370-80 zeichnet er für den Anbau der Marienkapelle verantwortlich,289 ab 1375 ist der Baumeister an der Marburger Marienkirche tätig.290 Auch das Alsfelder Sakramentstabernakel, das als Ausstattungsstück für den neuen Chor geschaffen wurde, geht in seinen Formen auf ein Werk des Tyle von Frankenberg in Kloster Haina zurück.291 Es scheint gut denkbar, dass man sich beim Bau des spätgotischen Alsfelder Chores am Werk des zu dieser Zeit in der Kunstregion bekannten Meisters Tyle von Frankenberg orientierte.

In der Ausführung bleiben die Alsfelder Formen jedoch hinter der qualitativ hochwertigen Ausstattung des Frankenberger Chores zurück.
Eine Ausnahme bilden die sogenannten Parlerkonsolen an den Chorstrebepfeilern. Eine der weiblichen Konsolbüsten zeigt Ähnlichkeiten zur Kölner Konsolbüste mit dem Parlerzeichen. In der oberhessischen Kunstregion stehen die Alsfelder Konsolbüsten ohne Vergleichsbeispiel, es scheint daher nicht ausgeschlossen, dass für den Alsfelder Chor ein rheinischer, vielleicht ein Kölner Meister, verpflichtet wurde.292
 
 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Dehio-Cremer I 2008. Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen I, Regierungsbezirke Gießen und Kassel, bearb. von Folkhard Cremer, München [u.a.] 2008

Meyer-Barkhausen 1958/59. Meyer-Barkhausen, Werner: Die Stadtkirche St. Walpurgis in Alsfeld, in: Hessische Heimat, 8, 1958/59, S. 19-23

Michler 1972. Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1972, S. 65-99


Anmerkungen

288 Michler 1972, S. 96
289 Dehio-Cremer I 2008, S. 235-237
290 Dehio-Cremer I 2008, S. 620
291 Das Frankenberger Tabernakel dagegen scheint weniger vorbildhaft gewesen zu sein.
292 Michler 1972, S. 96, Meyer-Barkhausen 1958/59, S. 21

 

Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche Alsfeld“, in:  www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php

 

Autorengruppe: Studentin / Studentletzte Aktualisierung dieser Seite: 07. Juni 2019
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: Schmelz, Annette PDF

 

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