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8 Bauanalyse, stilistische Einordnung und Datierung
8.1.1.2 Bündeldienste
Ein alter Dienst von 0,24 m Durchmesser wird von zwei erheblich schlankeren jungen Diensten mit 0,10 m Durchmesser begleitet.143 Die Dienste sind durch tiefe Kehlen getrennt, die Übergänge verschliffen, so dass weich ondulierende Formen entstanden sind (Abb. 114). | ![]() |
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Abb. 114: Walpurgiskirche, Bündeldienst des alten Chores in der SW-Ecke [+] |
Bündelpfeiler dieser Art kennen wir aus der näheren Umgebung von Alsfeld aus dem Kapitelsaal des Klosters Arnsburg (Abb. 115), als Bündeldienste treten sie im Chor der Marburger Elisabethkirche (Abb. 116) und der evangelischen Michaeliskirche von Ehringshausen in Oberhessen (Abb. 117) sowie im Langhaus der Totenkirche in Treysa (Abb. 118) auf.
Abb. 115: Kloster Arnsburg, Kapitelsaal, Bündelpfeiler [+] | Abb. 116: Marburg, Elisabethkirche, Bündeldienst im Chor [+] | |
Abb. 117: Ehringshausen, Michaeliskirche, Bündeldienst im Rechteckchor [+] | Abb. 118: Treysa, Totenkirche, Bündeldienst im Langhaus [+] |
In Arnsburg unterscheiden wir zwischen dreiteiligen Säulenbündeln, die an den Längsseiten des Raumes etwa 0,65 m von der Wand entfernt stehen, und vier vierteiligen Bündelpfeilern in der Mitte des Raumes. In den Gebäudeecken sind Wandpfeiler eingefügt (Abb. 119). Die Dienste tragen profilierte Gurtbögen, der Arnsburger Kapitelsaal ist kreuzgratgewölbt.
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Abb. 119: Kloster Arnsburg, Kapitelsaal, Grundriss, Zeichnung von Walbe [+] |
Interessanter für den Vergleich erscheint der Rechteckchor der Dorfkirche von Ehringshausen, der im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts unter Einfluss der Arnsburger Bauhütte entstand (Abb. 120).144 In den Ecken sind Bündeldienste diagonal gestellt. Sie werden wie in Alsfeld von einem dicken und zwei begleitenden dünnen Diensten gebildet, die durch tiefe Hohlkehlen getrennt sind.
Abb. 120: Ehringshausen, Michaeliskirche, Rechteckchor [+] |
In einem stringenten System der Zuordnung von Diensten und Gewölbegliedern hätten die Dienstbündel an den geraden Chorwänden fünfteilig sein müssen, um Gurte, Rippen und Schildbogen aufzunehmen, die Dienstbündel im Polygon dreiteilig, so wie es beispielsweise in der Elisabethkirche zu beobachten ist. In Alsfeld wurde jedoch das System vereinfacht und vereinheitlicht, nach Ausweis der 1971/72 ergrabenen Basen sind alle Dienstbündel dreigliedrig gewesen.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Dehio-Cremer I 2008. Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen I, Regierungsbezirke Gießen und Kassel, bearb. von Folkhard Cremer, München [u.a.] 2008
Gärtner 1998. Gärtner, Otto: Kloster Arnsburg in der Wetterau. Seine Geschichte – seine Bauten, Königstein 1998
Michler 1972. Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1972, S. 65-99
Walbe 1913-1928. Walbe, Heinrich: Baudenkmäler in der Provinz Oberhessen, in: Jahresbericht der Denkmalpflege im Volksstaat Hessen, 4a, 1913-1918, S. 149-308
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
144 Dehio-Cremer I 2008, S. 192
Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche Alsfeld“, in: www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php
![]() Autorin(nen) oder Autor(en): Schmelz, Annette PDF |