urbs-mediaevalis.de

8 Bauanalyse, stilistische Einordnung und Datierung

8.1.2.2.3 St. Christoph in Mainz

 
In den Proportionen kommt dagegen die Mainzer Christophskirche der Alsfelder Walpurgiskirche recht nahe. Beide Langhäuser sind etwa 21 m lang, Sankt Christoph mit 12,2 m etwa 2 m höher als Alsfeld.171
Langhaus und Chor der im Zweiten Weltkrieg zerstörten und nur als Ruine erhaltenen Pfarrkirche Sankt Christoph wurden zwischen 1280 und 1310 erbaut,172 dürften also der Alsfelder Basilika zeitlich recht nahe stehen.
Die drei Schiffe des vierjochigen Langhauses sind durch kantonierte Pfeiler getrennt (Abb. 143 bis 145).
 
Abb. 143: Mainz, St. Christoph, Grundriss, Zeichnung von Nitschke [+]
 
Abb. 144: Mainz, St. Christoph, Längsschnitt, Zeichnung von Nothnagel [+]

 

Michler hebt als Unterschied hervor, dass der mittelschiffsseitige Dienst in der Christophskirche erst oberhalb des Pfeilerkämpfers auf einer Konsole ansetze,173 doch ist dies einer Umbaumaßnahme vor 1818 geschuldet.174 Die Befunde vor Ort sprechen eine deutliche Sprache, klar sind die Basen der mittelschiffsseitigen Dienste zu erkennen, an den Rundpfeilern erkennt man die Umrisse der Dienste, und nicht zuletzt macht die barocke Form der Konsolen eine Datierung in die Erbauungszeit unmöglich (Abb. 146).
 
 
Abb. 145: Mainz, St. Christoph, Mittelschiff nach Osten, Aufnahme vor der Zerstörung des 2. Weltkrieges, Fotografie von Neeb [+]   Abb. 146: Mainz, St. Christoph, kantonierter Pfeiler [+]

 


Die kantonierten Pfeiler sind in ihren Einzelformen mit Alsfeld vergleichbar. Die Dienste sind als einfache Runddienste ausgebildet, über die sich das Kapitellband des Pfeilers verkröpft, so dass kelchartige Kapitellformen entstehen. Es ist allerdings nicht mehr zu klären, ob der mittelschiffsseitige Dienst ursprünglich ebenfalls vom Kapitellband des Rundpfeilers umkröpft wurde oder ohne Unterbrechung ins Gewölbe durchlief wie in Alsfeld.
Der Scheitelpunkt der Arkaden liegt auf etwa 5,25 m Höhe.175 Für die Walpurgiskirche wurde eine Arkadenhöhe von 4,70 - 4,80 m angenommen.176 In Bezug gesetzt zur höheren Mittelschiffswand der Christophskirche stimmen die Proportionen wieder überein, dies kann als Beleg dafür gesehen werden, dass die Höhe der Alsfelder Arkaden richtig bestimmt wurde.  Auch die in zwei abgefasten Stufen profilierten Arkadenbögen finden sich in ähnlicher Weise in Alsfeld, allerdings sind die Arkaden in St. Christoph weniger spitzbogig geführt als in Alsfeld.

Die Gewölbekämpfer liegen in St. Christoph höher als in der Walpurgiskirche. Durchaus vergleichbar ist wieder die Lage und Größe der Fenster, die in St. Christoph mit 2,6 m Scheitelhöhe und 1,4 m Breite177 noch etwas größer ausfallen als in Alsfeld.

St. Christoph in Mainz und die frühgotische Alsfelder Basilika stimmen folglich sowohl in den Proportionen des Wandaufrisses als auch im Formenapparat weitgehend überein.
Eine Messung der kantonierten Pfeiler offenbart allerdings einen gewichtigen Unterschied. Die Rundpfeiler der Christophskirche haben bei einer Höhe von etwa 2,70 m einen Durchmesser von nur etwa 0,85 m, während die nur geringfügig niedrigen Alsfelder Rundpfeiler es auf einen Durchmesser von 1,42/1,44 m bringen.178 Rundpfeiler dieser Stärke finden sich vorwiegend in Hallenkirchen, so weisen die Pfeiler in Wetter einen Durchmesser von 1,10 m auf, in Friedberg 1,30 m.179  Es könnte daher die Frage gestellt werden, ob die frühgotische Alsfelder Basilika als Halle geplant war und erst nach einem Planwechsel basilikal ausgeführt wurde. Dieser Frage soll in Kapitel 8.1.4 „Basilika versus Hallenkirche in Marburg, Köln und Alsfeld?“ nachgegangen werden.
 
 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Zeichnungen der Ausgrabung 1971/72 Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg, Archiv der Abteilung Baudenkmalpflege

Michler 1972. Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1972, S. 65-99

Nitschke 1957. Nitschke, Heinrich: Untersuchungen zur Baugeschichte der St. Christophskirche, in: Mainzer Zeitschrift – Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte, 52, 1957, S. 28-37

Nothnagel 1940. Nothnagel, Karl: St. Christoph, in: Neeb, Ernst/Nothnagel, Karl/Arens, Fritz: Bestehende und verschwundene Mainzer Kirchen, Darmstadt 1940 (DieKunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Mainz, Bd. 2, T. 2), S. 56-79

Zinsel 1932. Zinsel, Ernst L.: Die Hallenkirchen der hessischen Schule. Entwicklungsstudie auf architektonischer Grundlage, Darmstadt 1932


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

171 Maße für St. Christoph aus Nothnagel 1940, S. 61
172 Nitschke 1957, S. 28. Die Datierung wird gestützt durch erhaltene Ablassbriefe.
173 Michler 1972, S. 84
174 Nitschke 1957, S. 35
175 Alle Maße dieses Abschnittes sind berechnet anhand des maßstabsgetreuen Längsschnitts in Nothnagel 1940, S. 68, Abb. 21
176 Diskussion bei Michler 1972, S. 98, Anm. 16
177 Nothnagel 1940, S. 66
178 Maße auf dem handgezeichneten Riss der Ausgrabung 1971/72 vermerkt.
179 Vgl. die ausführliche Maßtabelle der Hallenkirchen der „hessischen Schule“ in Zinsel 1932, S. 46-47
 
Abb. 143, 144: Nitschke 1957
Abb. 145: Nothnagel 1940
Abb. 146: Schmelz, Annette 2008

 

Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche
Alsfeld“, in:  www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php

Autorengruppe: Studentin / Studentletzte Aktualisierung dieser Seite: 07. Juni 2019
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Schmelz, Annette PDF

 

print