urbs-mediaevalis.de

8 Bauanalyse, stilistische Einordnung und Datierung

8.2.5 Exkurs: Michlers These der Planung einer Emporenhalle

 
Michler vertritt die These, der Umbau des südlichen Seitenschiffes habe anfänglich den Bautypus der Emporenhalle zum Ziel gehabt.

Seine These fußt im Wesentlichen auf zwei Argumenten, der Stellung der Dienste im südlichen Seitenschiff und der Anordnung der Fenster.
Die Dienste an der südlichen Außenwand korrespondieren in der Höhe mit den sekundär tiefer angesetzten Dienstkapitellen der kantonierten Pfeiler (Abb. 66).
 
Abb. 66: Walpurgiskirche, Querschnitt durch das Langhaus nach Osten, Zeichnung
von Michler [+]

 

Zwar ist es theoretisch denkbar, dass die Dienste das Gewölbe eines basilikalen Seitenschiffes hätten tragen können, doch gibt Michler zu bedenken, dass ein derart umfangreicher Umbau kaum erneut ein basilikal niedriges, lediglich um einen Meter verbreitertes Seitenschiff zum Ziel gehabt haben dürfte.246
Durch den etwas tieferen Ansatz der Kapitelle behält das Gewölbe trotz der Verbreiterung des Seitenschiffes die gleiche Scheitelhöhe und korrespondiert mit der Höhe der Arkaden. Michler nimmt an, dass auf diesem Gewölbe fest eingebaute steinerne Emporen geplant gewesen seien. Das östliche Joch sollte jedoch frei von einer Empore bleiben, wie Michler aus den im Osten bis zur Gewölbehöhe durchlaufenden Diensten schließt (Abb. 201).
 
Abb. 201: Walpurgiskirche, Blick vom Langhaus in das südliche Seitenschiff [+]

 

Die Gliederung der Außenwand scheint Michlers These zu bestätigen. In den drei westlichen Jochen befindet sich etwa auf halber Höhe ein durchgehender Streifen Mauerwerk, der den Ansatz einer fest eingebauten Empore verdeckt hätte (Abb. 33).
 
Abb. 33: Walpurgiskirche, Front des südlichen Seitenschiffes [+]

 

Auch im westlichen Joch ist die bauliche Unterbrechung des Maßwerkfensters nicht etwa dem späteren Einbau der hölzernen Emporen geschuldet, sondern die Sohlbank des oberen Fensters liegt auf gleicher Höhe mit den Sohlbänken der beiden mittleren Fenster und weist auch stilistisch keinen Unterschied zu diesen auf, scheint also bauzeitlich zu sein.247

Nur die beiden Fenster in Süd- und Ostwand des östlichen Joches laufen in voller Höhe durch. Damit erhärtet sich Michlers Vermutung, das östliche Joch habe frei von der Empore bleiben sollen, so dass es querschiffartig in Erscheinung habe treten können.248 Michlers stringente Argumentation hat sich in der Forschung durchgesetzt.249
 
 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Dehio-Cremer I 2008. Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen I, Regierungsbezirke Gießen und Kassel, bearb. von Folkhard Cremer, München [u.a.] 2008

Michler 1972. Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1972, S. 65-99


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

246 Michler 1972, S. 90
247 Michler 1972, S. 92
248 Michler 1972, S. 91
249 so auch Dehio-Cremer I 2008, S. 9, allerdings mit dem Datierungsvorschlag „M./E. 14. Jh.“
 
Abb. 33, 201: Schmelz, Annette 2008
Abb. 66: Michler 1972

 

Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche Alsfeld“, in:  www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php

 

Autorengruppe: Studentin / Studentletzte Aktualisierung dieser Seite: 07. Juni 2019
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Schmelz, Annette PDF

 

print